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Zwei fremde Augen, in: Brigitte Heintze, Bulgarische Blätter, Augsburg, 2017

Zu Brigitte Heintze

Hinter den Kastanien beginnt die Welt,  Paul Celan

... es war ein eindrucksvoller Strom (so wie man ihn erwartet hatte)

... .. es bestand keine Notwendigkeit nach anderen Reisebooten zu suchen, man hatte sein Boot ja schon immer im Blick gehabt ...

... ein Fluß der verlorenen Fußspuren, den so viele, viele beschritten hatten, ohne wiederzukehren ...

... ein Fluß, mit einem goldenes Rätsel am Horizont, auf dem Weg zu einem Meer mit jeder Menge Seefahrtsmysterien ...

... wo der Reis allein wächst und die Fische sich freiwillig fangen ...

... wenn ich sterbe, will ich als ... wiedergeboren werden, mit zwanzig Metern echter Seide aus Mandalay um den Körper und einer Zigarette nach der anderen zwischen den Lippen ...

... (eine Frau) ... sie soll sich keinen sari über den Kopf ziehen und nicht hinter mir hertrotten, wenn ich spazieren gehe ...

... gebt mir Lapislazuli und Gelb im brennenden Sonnenlicht (und blasses Gelb im Mond) …

… dessen Boden qaus Steinen bestand, ganz glatt geschliffen von menschlichen Füßen …

… ich wußte, daß dem, der sich m Straßenrand niederläßt, jedes kunterbunte Wissen zuteil wird …

… stellen Sie sich eine Schiffsladung Leute vor, die es nicht eilig haben, und die sich Geschichten erzählen von endlosen Jagden, von Fahrten und Rückfahrten, von Dieben und Räubern und Dieben, von Toden in Wildnissen, ehrenhaft und traurig, von unzähligen Rätseln und Fahrtenmysterien ..

. … dickbauchige Schiffe wälzen sich den Fluß hinunter …

… eine schläfrige Stadt, bestehend aus einem verstreuten Gewirr von vernachlässigten alten und häßlichen neuen Häusern, Straßen mit unbekannten Namen, die Mauern voller Anzeigen Verstorbener, die sich selbst zu ohne Unterlaß zu vermehren schienen …

… die Strommasten aus Beton. Wenn der Wind geht, flattern Papiere herum. Die Alten, die unterwegs sind, tragen schwer an ihren Taschen … Abfallkörbe sind aus der Wand gerissen …

… verkrüppelte Bäume zwischen den beiden Fahrstreifen und den Straßenrändern, alte, heruntergerissene Äste …

… ein oder zweimal fiel ihm ein, daß dieses Land viel zu groß und zu schön war für die paar Monate, die er zur Verfügung hatte. Das verursachte ihm Unbehagen und er erschrak, da wird vieles unerklärt bleiben und vieles Wichtige verborgen. Das wird ein unentschlossenes Tappen am Fuß einer Treppe werden …

… Viel wird er sich zusammenreimen müssen …

… (ein Volk voller Geschichte) … wie solch ein Volk den Straßenräuber aus der Tageszeitung hervorbringen konnte. Er sah in die Gesichter, die erklärten schon ziemlich viel. Kinn, Lippen, Wangen, Augen, Haar: sie könnten den Gesichtszügen der Thraker oder der Römer nachgebildet sein, die manchmal auf Bildern oder Skulpturen abgebildet sind. Er starrte sie konzentriert an, er fokussierte sie. Sie starrten verwundert zurück. Mancheiner beachtete ihn gar nicht, ging einfach weiter. Und er war um ein weiteres Gesicht reicher. Und nicht wenige sahen aus wie richtige Räuber, die konnten bei Gelegenheit jemanden durchaus die Hölle heiß machen, Dachte er. … Dann kam eine Mutter mit ihrem Baby vorbei, und das Baby lachte, die Mutter lachte, ich sah mich gezwungen auch zu lachen, und wir lachten alle zusammen. …

… daß die Einheimischen unbewußt ihre Heiligtümer, Klöster und Tempel von den Fremden zurückfordern wollen …

… Schutz zu spenden mit der Magie der Worte …

... mit Ferngläsern suchen Polizisten die Straße nach Unruhestiftern ab. Sie marschieren in kleinen Trupps mit Schlagstöcken und Einsatzschildern die Straße entlang, oder stehen zu fünft und sechst an den Sehenswürdigkeiten. Einzelne Feuerwehrleute mit Helm stehen starr da, mit einem Kanister links und rechts von sich und nichts Brennbares in Sichtweite, als erfüllten sie irgendeine Vorschrift, deren Sinn nicht zu erkennen ist …

… eine Pilgerreise reinigt den Pilger von seinen Sünden. Die Pilger bringen ihren Verdienst durch die irdische Reise ein. Wenn einer mit einem Tier reist, teilt sich das Verdienst zwischen den beiden auf. Und früher, sagt man, konnten Reiche einen Stellvertreter bezahlen, damit er die Reise für sie machten …

… die Motive der Pilger seien einfach, sagt man:Sie hofften in einem zukünftigen Leben in der Nähe Gottes oder eines Stellvertreters sitzen zu dürfen. Oder sie beteten, daß das Vieh gesund werde oder das Spiel ihnen Glück bringe … … sie tauchen die Arme tief in die Taschen voll mit Anzeigen ihrer Verstorbenen. Die auf unzähligen zerrissenen Zetteln gedruckten Mitteilungen über die Verstorbene flattern an Mauern und Tafeln und Stämmen. Vom Wind zerrissen und verweht ertrinken sie in Wasserpfützen, die sich zahlreich auf den schlechten Straßen bilden …

… wenige Vorstellungen sind älter als der Gedanke, Himmel und Erde seien einst irgendwie verbunden gewesen … Götter, Menschen, eine Himmelsleiter, direkt hinauf- und hinabführend … und ja, unsere Engel hatten ihre eigene Jakobsleiter ...

… deren erste Könige an Lichtkordeln vom Himmel herabfuhren, die an ihren Köpfen befestigt waren. Mit solchen Kordeln, so ging der Glaube, konnten die Toten auch ins Paradies hinauffahren …

… Einige enthalten Beisetzungsreste, meist aber bergen sie Schriften und Reliquien, oft zu beschädigt, um noch benutzt zu werden, und zu heilig, um sie zu zerstören...